Was haben die deutschen Universitäten eigentlich aus den Plagiatsfällen gelernt? Offenbar nichts!

Ihrem werten Plagiatsgutachter erscheint seine Sache immer wieder wie ein Kampf gegen die Windmühlen. So auch heute, nach einer meines Erachtens verstörenden Mail des für die Selbstkontrolle der Wissenschaft zuständigen Professors der Universität München. Es ist nicht das erste Mal, dass ich auf eine hoffentlich einigermaßen präzise Recherche und den Versuch einer Interpretation einfach keine klare Antwort bekomme, dass Dinge irgendwie entschieden (das heißt in neun von zehn Fällen: abgeschmettert) werden, ohne diese Entscheidungen zu begründen. Vor allem das Fehlen von Begründungen scheint ein beliebtes Stilmittel zu sein, und es führt Wissenschaft einmal mehr ad absurdum.

Und genau aus diesem Grund publiziere ich den folgenden Mailverkehr – und werde das auch weiterhin tun, solange Ombudspersonen nicht einmal klare Mails schreiben können oder wollen.

Meine Mail von heute:

Von: Stefan Weber [mailto:weber@plagiatsgutachten.de]
Gesendet: Mittwoch, 24. Juli 2013 07:48
An: ‚matthias.krueger@jura.uni-muenchen.de‘
Betreff: Bitte um Klärung eines Sachverhalts

Sehr geehrter Prof. Krüger,

ich bitte Sie in Ihrer Funktion als für die Selbstkontrolle der Wissenschaft an der Universität München Zuständiger um Klärung des folgenden Sachverhalts:

Herr Dr. Klaus Metzl hat 2000/2001 seinen Doktorgrad an der Katholisch-Theologischen Fakultät erworben, aber seine Promotionsschrift erst 2007 veröffentlicht, siehe den Datensatz https://portal.dnb.de/opac.htm?method=showFullRecord&currentResultId=Klaus+Metzl%26any&currentPosition=0. Das Buch mit den entsprechenden Jahreszahlen liegt mir vor.

Wenn ich § 24 der Promotionsordnung (http://www.kaththeol.uni-muenchen.de/studium/nichtmodul/promotion/fassungen/deutsche.pdf) richtig interpretiere, hätte er den Doktorgrad seit spätestens 2005 nicht mehr führen dürfen, da er seine Doktorarbeit nicht binnen der von der Promotionsordnung maximal vorgeschriebenen Frist von vier Jahren veröffentlicht hat:

„§ 24 Veröffentlichung

(1) Nach Bestehen der Doktorprüfung ist binnen zwei Jahren, gerechnet von dem Tag der Aushändigung des Prüfungszeugnisses an, die veröffentlichte Doktorarbeit der Katholisch-Theologischen Fakultät vorzulegen. Die Veröffentlichung erfolgt in dem Umfang und mit den Änderungen, die vom Promotionsausschuß festgesetzt worden sind. Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des Promotionsausschusses.

(2) Der Vorsitzende des Promotionsausschusses kann die Frist zur Ablieferung der veröffentlichten Doktorarbeit auf Antrag des Bewerbers um höchstens zwei Jahre verlängern.

(3) Versäumt der Bewerber die Frist, so erlöschen alle durch die Doktorprüfung erworbenen Rechte.“

Der Satz aus § 24 Abs. 1 „Ausnahmen bedürfen der Zustimmung des Promotionsausschusses“ kann sich m. E. nur auf den diesem Satz vorhergehenden Satz beziehen, weil sonst Abs. 2 sinnlos wäre (wenn eine Fristverlängerung auch um 5 oder 6 Jahre möglich wäre und diese auch unter die „Ausnahme“ fallen würde, bräuchte es § 24 Abs. 2 nicht).

Soweit meine Interpretation mit der Bitte um Ihre Rückmeldung.

Mit freundlichen Grüßen

Ihr

PD Dr. Stefan Weber Sachverständiger für wissenschaftliche Texte

https://plagiatsgutachten.com/blog http://plagiarismreports.com

Institut für Autorschafts- und Zitatsforschung http://iazf.de

Ich habe hier niemandem etwas unterstellt – ich habe nur darum gebeten, meine Interpretation zu kommentieren. Und hier die Antwort (übrigens signaturfrei):

Sehr geehrter Herr PD Dr. Weber,

ich kann in Ihrem Vorwurf kein wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne der einschlägigen LMU-Richtlinien ausmachen.

Mit freundlichen Grüßen.

Matthias Krüger

—-

Wenn ich jemandem maile „Ich kann kein Plagiat ausmachen“, dann begründe ich das seit Jahren – auch bei unbezahlten Reaktionen auf Anfragen. Das ist sozusagen ein „kommunikatives Minimum“, das verlangt der Anstand. Herr Professor Krüger, sicherlich ein bestbezahlter juristischer Wissenschaftler, macht sich nicht einmal diese Mühe. So kommuniziert man nicht.

Das führt mich zu einer längst überfälligen generellen Kritik am bundesdeutschen Ombudswesen.

– Versuchen Sie einmal, auf den Webseiten führender deutscher Universitäten den Ombudsman bzw. das Ombudsgremium für gute wissenschaftliche Praxis zu finden. Einen Menüpunkt „Gleichstellung“ finden Sie fast immer weit oben im Organigramm; das so wichtige, wenn nicht überhaupt zentrale Thema der Qualitätssicherung wissenschaftlichen Arbeitens wird indes gut versteckt. Schon alleine das spricht Bände. Meistens muss man interne Suchmaschinen bemühen und „Gute wissenschaftliche Praxis“, „Selbstkontrolle“ oder „Ombud“ eintippen – manchmal kommt man nicht einmal dann zum Ziel.

– Die millionenschwere DFG ist bis heute nicht einmal in der Lage, ein benutzerfreundlich durchsuchbares Verzeichnis der Ombudspersonen deutscher Universitäten ins Netz zu stellen, siehe den Link zum Excel-Dokument unten auf der Webseite des Ombudsmans für die Wissenschaft.

Es tut mir leid, wenn ich nach diversen abgeschmetterten oder gänzlich unbeantworteten Anfragen an Ombudspersonen (es gibt zumindest zwei nie weiter verfolgte Plagiatsverdachtsfälle) das Gefühl bekomme, die Wissenschaft will auch weiterhin mit Verdachtsfällen wissenschaftlichen Fehlverhaltens nichts zu tun haben. Dann darf sie sich aber nicht wundern, wenn das andere, etwa im Netz, übernehmen. Ein Armutszeugnis für die Wissenschaft.

Vielleicht unterstelle ich auch zu viel Intentionalität. Womöglich geht es einfach nur darum, die Kritiker zu verarschen, sie auszubremsen, Zynismus walten zu lassen.

6 Kommentare zu “Was haben die deutschen Universitäten eigentlich aus den Plagiatsfällen gelernt? Offenbar nichts!

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  1. Erbloggtes

    Wer „alles prima“ ausdrücken will, schreibt übrigens sowas wie Hans-Jochen Schiewer, Rektor der Universität Freiburg:

    „Die Regeln für die Promotion gehören hierzulande zu den strengsten in Europa. Wer seine Doktorarbeit noch nicht veröffentlicht hat, darf den Titel nicht führen. Wer die Publikationsfrist versäumt, verliert die Doktorwürde. Die Veröffentlichungspflicht sorgt für eine gläserne Qualifikationsschrift, deren Inhalte in der Scientific Community, in Rezensionen und Internetforen diskutiert werden. Unredliches Verhalten kommt nur in einer Minderzahl der Fälle zum Vorschein.“

    http://www.helmholtz.de/artikel/der-streit-um-den-dr-1691/

    Schön, dass die Differenzierung zwischen „kommt nicht zum Vorschein“ und „gibt es nicht“ von Schiewer bereits vorgenommen wird. Die Hauptsache ist, dass keiner merkt, wo plagiiert wird. Dazu kann man natürlich am besten beitragen, wenn … naja, ist klar.

    Antworten
  2. Leguleius

    Also die einschlägige Richtlinie findet man mit drei Schlagwörtern bei einer gängigen Suchmaschine und ich denke, Sie werden sie wohl selbst schon gefunden haben, wahrscheinlich (und hoffentlich) bevor Sie Herrn Krüger die Mail geschrieben haben. Dort ist in § 4 (iVm Anlage 1) recht detailliert beschrieben, was die LMU unter wissenschaftlichem Fehlverhalten versteht, und – wie Sie ja selbst vermuten (oder wissen) – fällt der geschilderte Sachverhalt nicht darunter. Und genau dies hat Herr Krüger Ihnen ja mitgeteilt. Über moralische Verantwortung und deren Wahrnehmung (im doppelten Sinne) kann man sicher ewig diskutieren; ebenso, ob man im Detail erläutern muss, warum man NICHT zuständig ist, oder nicht vielmehr derjenige, der ein Anliegen an jemand anderen heranträgt, (substantiiert) begründen muss, warum dieser andere zuständig ist. Ohne konkreten Vorwurf ist es immer schwierig, die Zuständigkeit zu begründen. Zuständig für die Rücknahme (bzw. den Widerruf) eines Titels ist diejenige Instanz, die ihn verliehen hat.

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  3. Leguleius

    Herr Krüger hat sich lediglich für unzuständig erklärt, was durchaus nachvollziehbar ist, denn warum sollte er sich als Ombudsman und Fakultätsfremder über die Auslegung einer Promotionsordnung in irgendeiner Weise äußern?

    Unabhängig von der Zuständigkeit haben Sie keine konkrete Frage gestellt, auf die man hätte antworten können. Sie bitten „um Klärung des Sachverhalts“ und „Rückmeldung“. Was soll er darauf anworten? Ein Jurist wird Ihnen – nachdem er Ihre Frage für sich konkretisiert hat – antworten, dass Ihre Auslegung der Promotionsordnung vertretbar erscheint.

    Antworten
    1. admin

      Lieber Leguleius,

      ein kommunikativer Mindeststandard wäre, wie erwähnt, dann eine Begründung für die Nicht-Zuständigkeit gewesen. Dazu könnte man z. B. die Richtlinien guter wissenschaftlicher Praxis an der LMU attachen und begründen, warum mein Problem, sofern es eines ist, nicht unter wissenschaftliches Fehlverhalten im Sinne dieser Richtlinien fällt (ein wissenschaftliches Fehlverhalten habe ich ja auch nicht dem Absolventen unterstellt, ich habe vielmehr höchstens auf eine mögliche Rechtswidrigkeit der Fakultät hingewiesen!). Gleichzeitig hätte man mir Ansprechpartner für mein Problem an der zuständigen Fakultät nennen können. Dass das alles unterlassen wurde und auch noch signaturfrei geantwortet wurde, deutet – sorry – so dermaßen offensichtlich darauf hin, dass Herr Krüger mit der Causa nichts zu tun haben wollte, dass es kaum klarer sein könnte. Ich finde ein solches Verhalten für einen Professor, der zwischen 5.000 und 10.000 Euro monatlich (oder mehr mit Zulagen) verdient und als Ombudsman auch eine besondere ethische Verantwortung haben sollte, absolut indiskutabel.

      LG
      sw

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