Eine Warnung: Bücher mit kopierten Wikipedia-Artikeln nun auch in Uni-Bibliotheken

Welches Signal geben Bibliotheken Studierenden und Schülern, wenn sich Bücher mit unredigierten kopierten Wikipedia-Inhalten nun auch schon in deren Regalen befinden? VDM Publishing ist (neben Books LLC, der bereits wiederholt Thema in diesem Blog war) so ein Verlag, der unter den Namen Alphascript, Betascript oder Fastbook Publishing ausnahmslos Textkopien aus der Wikipedia als E-Books herstellt. Man staunt nicht schlecht, wenn man diese Verlagsnamen in den österreichischen Bibliothekenverbundkatalog eintippt, denn man findet alleine in Österreich schon fast 60 Titel (auch Books LLC ist schon sieben Mal vertreten). Bücher von Alphascript liegen unter anderem in der Theologischen und in der Naturwissenschaftlichen Fachbibliothek der Universität Salzburg, in den Bibliotheken der TU Wien, der Universität für angewandte Kunst Wien, der Universität Graz, der FH St. Pölten und vielen anderen. Sie tragen Titel wie etwa „Frontal Lobe: Brain, Mammal, Cerebral hemisphere, Parietal lobe, Temporal lobe, Primary motor cortex, Myelin, Cerebral cortex, Dopamine, Thalamus, Prefrontal cortex, Schizophrenia, Broca’s area“ und ihre Anschaffung kostete die Bibliothek, also die öffentliche Hand, pro Stück zwischen 30 und 60 Euro. Bücher von Betascript haben die Bibliotheken der Universität Klagenfurt, der TU Graz und sogar der Medizinischen Universität Wien angekauft. 60 Euro pro Buch für bloß kopierte Wikipedia-Inhalte? Wie heißt es so schön auf den Büchern: „High Quality Content by Wikipedia articles!“ Na wenn das kein Aufruf zu Copy & Paste bei Studierenden ist! Die leidige akademische Debatte, ob man aus der Wikipedia zitieren ‚darf‘ oder nicht, hat sich nunmehr erledigt: „Ich hab’s ja aus einem Buch zitiert!“ – Und wieder mal stellt sich die Frage nach Instanzen der Qualitätssicherung und der Entwicklung hin zu einer Textkultur ohne Hirn.
Und: Kassieren die fast immer gleichen Herausgeber all dieser Titel (angeblich bis zu 22.000 im Sortiment!) auch noch Bibliothekstantiemen bei den Verwertungsgesellschaften? Wenn ja, dann müssten auch diese – neben den Bibliothekaren – auf der Hut sein, denn dann wäre es auch noch Betrug im großen Stil.

18 Kommentare zu “Eine Warnung: Bücher mit kopierten Wikipedia-Artikeln nun auch in Uni-Bibliotheken

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  1. Müller Meier Becker Schulz Schmidt & co

    Viele Bibliotheken (Typ 1 und 2, worunter auch Unibibliotheken gehören) werden vom Staat dazu verpflichtet jeweils ein Exemplar von Büchern zu kaufen, da sie neben der Verleihtätigkeit auch als kulturelles oder wissenschaftliches Gedächnis fungieren. Die kaufen diese „Bücher“ also nicht weil sie gut sind, sondern weil sie eine ISBN-Nummer haben. Dies gilt insbesondere wenn sie als irreführende wissenschaftlich unter diversen Verlagsnamen publiziert werden.

    https://www.akademikerverlag.de/site/impressum-datenschutz/13

    https://www.bloggingbooks.de/site/impressum-datenschutz/13

    Vermutlich gibt es davon noch 50 andere Varianten.

    Gratuliere Herr Müller, sie haben die Methode wirklich perfektioniert. Dank ihnen wächst der Müllberg unentwegt weiter.

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  2. Jochim C. Schiller

    Dafür zu sorgen, daß der Staat sein Geld vernünftig ausgibt, ist nicht die Aufgabe der Anbieter, sondern der dafür bezahlten Staatsdiener. Dem, der ohne Täuschung einen Hut vor sich hinstellt, und hofft, daß jemand Geld hineinwirft, ist kein Vorwurf zu machen. Aber Akademikern, die das Geld des Steuerzahlers ohne brauchbare Gegenleistung ausgeben, und zwar nicht, weil sie bestechlich sind, sondern weil sie unfähig und faul sind, denen ist ein ganz gewaltiger Vorwurf zu machen – und auch denen, die sie durchs Studium geschleust und auf ihre Posten gesetzt haben. Ich würde sagen: Entlassung unter Aberkennung der Pensionsansprüche und der akademischen Grade.

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  3. TA

    …ich denke, einen weiteren Kommentar hinzuzufügen, erübrigt sich, hierzu ist wohl alles gesagt. Nur: Wie komme ich als Gelackmeierter (so fühle ich mich) den wieder aus dem Vertrag heraus?

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  4. Kelbo

    Eine spannende Debatte, die allerdings etwas unfair verläuft. Diese Verlage müssen in einem harten Geschäft leben. Der Buchmarkt ist so umkämpft wie nie und VIELE Autoren werden bei etablierten Verlagen abegewiesen. Auch Zuschußverlage könnte man kritisieren.
    Was diese Verlage also bieten ist duchaus eine gute Sache. Wenn diese nun frei im Netz verfügbares (unter Berücksichtigung der Lizenzen) als Buch drucken ist das m.E. auch OK. Solage dies sichtbar ist – kein Problem. Wikipedia wurde schon vielfach als CD-Rom angeboten (was m.E. noch weniger Sinn macht). Dennoch gibt es Personen die sowas kaufen. Auch kann man die Qualität der Wikip. kritisieren. Vergleiche haben jedoch gezeigt, dass etablierte Nachschlagewerke auch viele Fehler enthalten. Und die werden auch gedruckt und verkauft…

    Also: Den Ball flach halten und die Uni-Bibliotheken informieren, dass es sowas gibt und was es zu bedeuten hat. Vielfach ist hier das Personal etwas überfordert wenn es um Neuerungen geht.

    Und dem Verlag wünsch ich viel Erfolg (auch wenn ich nicht glaube, dass dieser in den nächsten Jahren sooo groß sein wird).

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  5. Carl

    Sehr geehrter Herr Dr. Müller,

    die Hinweise auf den fraglichen „Büchern“ lauten nicht: “WARNUNG – diesen Inhalt können Sie kostenfrei im Internet downloaden!”, wie Sie es überspitzt formulieren, sondern „High Quality Content by WIKIPEDIA articles!“

    Mit Verlaub halte ich die Verlagsangaben zu Ihren „Büchern“ für irreführend. Ein Beispiel: Eine normale Google-Suche über den britischen Filmregisseur Robert Asher führt u.a. zu einem Wikipedia-Eintrag von sieben Zeilen Umfang:

    http://en.wikipedia.org/wiki/Robert_Asher
    Zitat Anfang:
    ———————————-
    Robert Asher (1919 – 1979) was a British film and television director.
    Film career
    Asher began his career as an assistant director in 1934, working with Anthony Pelissier, Robert Hamer, Maurice Elvey and Roy Ward Baker among others. During World War II he worked on such films such as When We Are Married (1943), Medal for the General (1944) and Waltz Time (1945).

    Asher became a solo director with the Norman Wisdom vehicle Follow a Star (1959). He followed John Paddy Carstairs as the overseer of the Wisdom films, concluding in 1966 with Press for Time. The 1965 Morecambe and Wise film The Intelligence Men, Wisdom’s The Early Bird (also 1965) and the 1960 crime caper farce Make Mine Mink are among his other credits.

    Television career
    In the late 1960s, Asher began working in television, directing episodes of ITC Entertainment productions including The Champions, The Saint, The Prisoner and The Avengers.

    Personal life
    His brother Jack Asher was an acclaimed British cinematographer.
    ————————————
    Zitat Ende

    Daneben findet Google Einträge bei diversen Buchhändlern wie diesen (http://www.emporiumbooks.com.au/book/robert-asher.do):
    Robert Asher
    Author: Lambert M. Surhone , Mariam T. Tennoe , Susan F. Henssonow
    Publisher: Betascript Publishing
    ISBN: 9786132253033
    Pages: 92
    RRP $67.20

    oder diesen:
    (http://www.alibris.com/search/books/isbn/9786132253033):
    Robert Asher (VDM Verlag Dr. Mueller AG & Co. Kg), Trade paperback (2010)
    by Lambert M Surhone (Editor), Mariam T Tennoe (Editor), Susan F Henssonow (Editor)
    Trade paperback, VDM Verlag Dr. Mueller AG & Co. Kg
    2010
    English
    92 pages
    (Preise 38 bis 59 Euro)

    Mein erster Eindruck war: Da hat ein Verlag drei Autoren drangesetzt, die gegenüber dem Wikipedia-„High Quality Content“ von sieben Zeilen ganze 92 Buchseiten recherchiert haben. Eine Leistung, die um die 50 Euro wert sein muss.

    Dann kam die Frage, welch toller Verlag hat diese Arbeit unterstützt? – vdm-verlag de „Der VDM publiziert wissenschaftliche Fachliteratur…“ Oh, ein ganz seriöses Haus.

    Trotzdem blieb ein komisches Gefühl: Warum findet sich sonst keine Verbindung zwischen den „Autoren“ und dem Thema? Und warum erscheinen plötzlich tausende „Bücher“, die sie zu den unterschiedlichsten Themen geschrieben haben wollen?

    Ich suchte weiter und fand heraus, dass der Verlag mit seinen diversen Labels das Unfassbare tut: Wikipedia-Artikel ausdrucken und in Buchform anzubieten.

    Einen solchen Quatsch habe ich natürlich nicht gekauft. Möglicherweise (aber nur eventuell!) hätte ich ein solches Produkt bestellt, wenn der Kaufpreis im Bereich meiner heimischen Druckkosten (Toner und Papier) gelegen hätte.

    So habe ich kein Geld verloren, nur Zeit.

    Letztlich bleiben nur zwei Fragen: 1. Wie druckt der VDM Verlag sieben Wikipedia-Textzeilen auf 92 Buchseiten? 2. Was für Papier und Druckerfarbe verwenden Sie, um auf einen durchschnittlichen Verkaufspreis von 50 Euro zu kommen?

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  6. Alexandra

    „Eine Warnung: Bücher mit kopierten Wikipedia-Artikeln nun auch in Uni-Bibliotheken“

    Das ist leider nicht in Ordnung. Jeder kann problemlos bei Wikipedia einen Eintrag erstellen, sogar auch ein 14 jähriger Schüler…

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  7. Caroline Kaiser

    Sehr geehrter Dr. Müller,

    da ich mich auch schon seit Monaten über diese „wissenschaftlichen Bücher“ ärgere, erlauben Sie mir ein paar Anmerkungen.

    Weshalb sind denn diese Bücher gekauft worden ? Weil die allerwenigsten Kunden wußten was sie da kaufen.

    z.B. BOL Niederlande hatte letztes Jahr zu vielen dieser Bücher gar kein Bild. Sie waren unter „Fachliteratur“ (!) eingeordnet.

    Die Alpha/Betascript sehen vom Cover besser aus als die LLC, allerdings ist der „Wiki“ Warnhinweis (?) nur in der Vergrößerung erkennbar.

    Er sagt auch so noch nichts über den Inhalt aus, denn einmal beziehen sich ( leider ) auch immer mehr wissenschaftliche Bücher auf Wiki als Quelle.

    Zumindest in meinem Fachbereich, Sexualstrafrecht/Pornographie sind einige Einträge dort voller sachlicher Fehler.

    Administratoren weigern sich aber diese zu korrigieren, aus vielen verschiedenen Gründen, die hier zu weit führen würden.

    Sie schreiben:

    „Es gibt Käufer, die frei im Internet verfügbare Inhalte als gedrucktes Buch kaufen möchten.“

    Ja, prinzipiell ist gegen diese Idee nichts einzuwenden. Auch schon deshalb, weil man bei der Nutzung von Wiki oft vom Hundersten ins Tausendste kommt.

    Wenn z.B. unter dem Titel „Videorecorder“ alle Unterkapitel und verwandten Themen in einem Buch zusammengefasst werden, z.B. die einzelnen Systeme wie Beta oder VHS, dann hat man eine Gesamtübersicht.

    Dazu müßte man aber, wenn man nicht die einzelnen Beiträge editieren will, zumindest diese in einen Gesamtzusammenhang bringen.

    Nur wie sieht dies bei LLC usw. aus ?
    Unter „Video“ findet der Leser ein wildes Sammelsurium, von VHS, über Western Filme bis zu Werbung, Wassereis und Kakteenzucht.

    Hier scheint ein „Crawler“ automatisch alle auf andere Wikiseiten führende Links abzuarbeiten und blind auszudrucken.
    Ohne Sinn und Verstand.

    Ein solches „Buch“ ist völlig wertlos, genauso könnte ich einen Affen an meinen PC setzen, der blind Wiki Artikel ausdruckt.

    Weshalb landen diese Bücher in vielen Uni Bibliotheken, obwohl sie da nichts zu suchen haben und auch keine Uni bei ihrem Verlag direkt bestellt ?

    Ich kann jetzt nur für die zwei Unis sprechen, die ich selbst besucht habe.
    Dort hat man die Buchbestellungen auf mehrere Buchhändler verteilt, die auch eigenhändig recherchieren.

    Die haben bestimmte Vorgaben, z.B. einen Teil der Bücher über bestimmte Themen zu bestellen. Genau hier scheint auch das Geschäftskonzept ihres Verlages zu liegen, das Verstopfen der Datenbanken ist hier Teil des Geschäftsmodells.

    Der Buchhändler bestellt dann, im Auftrag der Uni, z.B. 10 englischsprachige Bücher über „North Korea“, bis dann der Entleiher entsetzt feststellt, daß es sich hier nur um ausgedruckte Wiki Artikel handelt, die größtenteils auch gar nichts mit dem Thema des Buches zutun haben.

    Hier profitieren sie auch vom enormen Personalabbau in den Uni Bibliotheken, denn die Aufnahme in den Verleih geschieht ja automatisch, keiner der Mitarbeiter hat heute noch die Zeit diese Bücher auch nur durchzublättern.

    Mittlerweile gibt es aber immer mehr Nutzer, die zurecht frustriert über diese Nonsensbücher sind.

    An meinen ehemaligen Unis haben die Buchhändler mittlerweile „schwarze Listen“ ausgehändigt bekommen, welche Verlage beim Einkauf absolut gemieden werden sollen. Sie können 3x raten welche Verlage da drauf stehen.

    Nun sehe ich aber, daß einige der Verlage schon unter anderen Namen „publizieren“, bzw. unter nichtssagenden Namen wie „Buch Verlag“, „bch“ (!) oder schlicht „Print“.

    Man spekuliert hier eben nur auf den Fehlkauf. Denn auf was sollte man sonst spekulieren ?

    In einer Buchhandlung präsentiert würde man diese Druckerzeugnisse nur milde belächeln. Niemand würde doch so ein Buch für 40 oder 50 Euro kaufen.

    Hier gehts ja nicht nur um mangelnde Qualität, leider gibts auch im akademischen Bereich viel überteuerten Murks, sondern auch um Etikettenschwindel.

    Bis zu 90% des Inhalts hat ja mit dem Titel gar nichts zu tun. ( siehe oben )

    Sie schrieben:
    “ ich sehe keinen Grund intelligente Leser auf diese Weise zu entmündigen.“

    Der Leser wird ja schon dadurch entmündigt, daß er anfangs gar nicht weiß was er da kauft. Durch Blogs wie diesen spricht sich dies aber immer mehr herum.

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  8. Sven Michel

    Wert und Wertigkeit
    Um auf die Frage nach dem Sinn eines Wikibuches einzugehen:
    Als Mediengestalter für Digtal- und Printmedien werden Auszubildende seit Jahren „gezwungen“ sich das Kompendium der Mediengestaltung zu kaufen.
    Ladenpreis €69,95.
    Inhalt: Frei und wesentlich ausführlicher im Internet erhältlich.
    Aktualisiert: Alle Jahre wieder!
    Aktuell: Nie!

    Antworten
  9. Dr. Wolfgang Philipp Müller

    Lieber sw,

    danke für Ihre Kommentare. Es freut mich, dass sich jemand seriös und intellektuell anspruchsvoll mit einem unserer vielfältigen Geschäftsmodelle auseinandersetzt. Daher gehe ich gerne auf Sie ein:

    @ Prozesse & Standards: Der klassische Verleger ist inhaltsgetrieben. Er möchte wertvolle Inhalte identifizieren, veredeln, verbreiten und vielleicht nebenbei ein wenig die Welt verbessern. Das hat mich nie interessiert. Ich finde durchdesignte Prozesse (beginnend bei der Contentgewinnung, über die Technik bis hin zur Vermarktung) und dabei die Einhaltung klarer Standards sehr faszinierend. Mir sagte mal jemand VDM sei der Mc Donald´s der Buchbranche. Das beschreibt sehr gut, was ich mit Prozessen und Standards meine: Das Buch wie einen Big Mac herzustellen, anzubieten und zu verkaufen.

    @ Inhalte & Lektorat: Wenn ich sage, Inhalte interessieren mich nicht im Geringsten, meine ich, dass ich keinen verlegerischen Anspruch habe Inhalte zu diskutieren oder zu verbessern. Das ist für mich ausschließlich ein Thema unserer Autoren. Sowohl Wiki-Autoren als auch unsere wissenschaftlichen Autoren sind schließlich keine Idioten, sondern wissen selber, was sie wie schreiben wollen und können. Und was sie bestimmt nicht brauchen, ist der Verlag als Oberlehrer. Hinzu kommt eine ganz einfache kaufmännische Kalkulation: Wenn Sie wissenschaftlichen Autoren kostenfreie Publikationen anbieten wollen wie wir mit unseren Marken VDM und LAP können Sie sich kein Lektorat leisten. So einfach ist das. Oder Sie müssen es wie viele Wissenschaftsverlage machen und den Autor mit Druckkostenzuschüssen noch und nöcher abzocken und ihn dafür ein bisschen lektorieren. Wem´s gefällt, bitte.
    Aber noch mal zu Wiki: Ich sehe wirklich nicht, was hier und warum hier lektoriert werden sollte. Schließlich ist Wiki doch ein ziemlich guter Auto-Lektor, der weltweit genau dafür gerühmt wird.

    @ Sicher haben Sie Recht, dass Wikipedia ein spannender Prozess ist. Warum deshalb das punktuelle Einfrieren eines bestimmten Wiki-Wissensstandes keinen Sinn machen sollte, erschließt sich mir nicht. Schließlich friert jedes herkömmliche Buch das in ihm vorhandene Wissen im Moment der Manuskriptabgabe an den Verlag ein. Und das macht seit Jahrhunderten Sinn.

    @ Preise: Ob etwas teuer oder billig ist, ist sehr relativ. Ich lasse einfach den Kunden entscheiden. Wenn es ihm zu teuer ist, kauft er nicht oder gibt den Titel zurück. Oder der Händler senkt den Buchpreis, was ja in den meisten zivilisierten Ländern außerhalb Deutschlands möglich ist. So einfach kann die Welt jenseits akademischer Konstrukte sein.

    @ Qualität & Zensur: Vielleicht ist genau das der Kernpunkt unserer unterschiedlichen Weltsichten. Ich halte „Qualitätsbewahrung“ in jeder (!) Form und tatsächlich für Zensur und sehe keinen Grund intelligente Leser auf diese Weise zu entmündigen. Das Internet hat dem Menschen erstmals ein schier unendliches und damit demokratisches Angebot an Meinungen, Produkten und Ideen gebracht. Nutzen wir genau diese Vielfalt anstatt sie zu beschränken.

    Beste Grüße, Ihr WPM

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  10. Dr. Wolfgang Philipp Müller

    Lieber Dr. Weber,

    zunächst einmal danke ich Ihnen, dass Sie meinen Kommentar zu Ihrem Blog freigeschaltet haben, spricht das doch für eine gute Diskussionskultur. Gleichzeitig möchte ich Ihnen bestätigen, dass mein Eintrag kein Scherz ist, sondern tatsächlich von mir stammt und ernst gemeint ist. Ich bin der Alleingesellschafter der VDM Publishing Group. Sie können sich gerne noch einmal mit einer Email vergewissern, wenn Sie das möchten.

    Zu Ihren Fragen:
    1. Ihre Vermutung ist richtig. Alpha/Betascript Titel werden in keiner Weise von uns beworben, sondern lediglich in die diversen Kataloge des Handels als lieferbare Titel eingestellt. Ich habe mich eben bei der Geschäftsführung der VDM Publishing House Ltd., die Betreiberin der Verlagsimprints Alphascript und Betascript ist, vergewissert, dass unsererseits keine einzige Bestellung für diese Titel von Bibliotheken vorliegt oder vorgelegen hat. Das ist auch unüblich, da Bibliotheken in der Regel ihre Novitäten bei spezialisierten Dienstleistern (Großhändler für Bibliotheken) einkaufen, auf deren Werbung wir keinen Einfluss haben.

    2. Die Alpha- & Betascript-Titel sind ganz gewiss nicht für Bibliotheken bestimmt. Wenn öffentliche Bibliotheken Steuergelder für Content verschwenden, den sie kostenfrei downloaden können, finde ich das peinlich. Genau so meine ich das.
    Über Zielgruppen machen wir uns als Long-Tail-Anbieter keine Gedanken, das ist Marketingquatsch und Zeitverschwendung. Es gibt Käufer, die frei im Internet verfügbare Inhalte als gedrucktes Buch kaufen möchten und das trotz unserer zahlreichen (rechtlich nicht notwendigen) Hinweise auf dem Buchcover und in den Klappentexten tun. Hinzu kommt, dass der Kunde bei Amazon & Co. ein Rückgaberecht hat, wenn ihm der Titel nicht zusagt.

    Im Übrigen ist das ja nichts Ungewöhnliches. Schauen Sie sich einmal an, wie viele namhafte Verlage beispielsweise Goethes gesammelte Werke in unkommentierter Buchform anbieten und verkaufen. Auch Goethes Werke sind komplett im Internet kostenfrei verfügbar. Dennoch gibt es Käufer für solche Titel und Verlage, die damit Geld machen. Und diese Verlage bringen im Gegensatz zu uns keinerlei Hinweise auf ihren Titeln an wie „WARNUNG – diesen Inhalt können Sie kostenfrei im Internet downloaden!“

    Ich glaube, was bei uns aufstösst ist die massive Industrialisierung, die wir mit dem heiligen Medium Buch betreiben. Im Gegensatz zu Verlegern alter Schule interessieren mich Inhalte nicht im Geringsten, dafür aber Prozesse und Standards, und deswegen arbeiten wir so. Ich bin sicher, dass sich die Buchbranche ähnlich wie die TV-Sender das seit Einführung des Privatfernsehens erlebt haben, auf gravierende Veränderungen einstellen muss. Dazu gehört auch, dass das Buch kein unantastbares Medium mehr sein wird, sondern einfach nur ein Medium unter vielen, das mit jeder Art von Content gefüllt werden kann. Mit der Folge, dass jedermann alles veröffentlichen kann und Verlage als „Qualitätshüter“ und Zensoren endlich überflüssig werden.
    Solche Revolutionen finde ich spannend und motivierend!

    Beste Grüße, Ihr WPM

    Antworten
    1. admin

      Lieber WPM,

      ja was denn nun?

      Im Posting hier schrieben Sie den provokanten diskussionswürdigen Satz: „Im Gegensatz zu Verlegern alter Schule interessieren mich Inhalte nicht im Geringsten, dafür aber Prozesse und Standards.“ (Das hätte mich übrigens näher interessiert – was meinen Sie mit „Prozessen“, was mit „Standards“?)

      Und in einem Interview wurden Sie vor einigen Tagen gefragt, warum Sie nicht zumindest minimal lektorieren, und da haben Sie geantwortet: „Das ist aufgrund der hochqualitativen Quelle Wikipedia und deren interner Review-Prozesse nicht nötig.“

      Also einerseits sagen Sie, dass Sie Inhalte nicht im Geringsten interessieren, andererseits sind Sie dann aber doch froh, wenn diese Inhalte – von anderen – angeblich hochqualitativ erstellt wurden. – Geschäftemacher-Zynismus? Unerkannte Paradoxie?

      Und noch ein Punkt, der mir insbesondere am Herzen liegt: Wikipedia ist ein Prozess. Natürlich gibt es gesichtete Versionen, auf die Sie ja zurückgreifen, aber das spannende findet sich oft in der Diskussion zu einem Beitrag oder in der Versionsgeschichte. Das „eingefrorene“ Artikel-Wissen auf der Wikipedia in dieser Minute ist in der nächsten Minute vielleicht schon wieder überholt/aktualisiert/widerrufen worden. Wenn Sie nun ebendiesen offenen Prozess in die Buchkultur ‚zurückholen‘, ergibt das für mich einfach überhaupt keinen Sinn. (Das betrifft m. E. auch Wikimedia-eigene Buchangebote.)

      Außerdem sind, wie ich finde, Ihre Bücher viel zu teuer, aber das nur nebenbei… Und Sie arbeiten an Ihrer Selbstabschaffung, wenn Sie sagen, dass „Verlage als ‚Qualitätshüter‘ und Zensoren endlich überflüssig“ werden. Qualitätssicherung und Zensur sind, nebenbei bemerkt, zwei ganz unterschiedliche, fast immer entgegengesetzte Dinge.

      Also in der Summe doch einiges sehr widersprüchlich. Aber vielleicht entspricht genau das unserer Zeit – paradoxer Zynismus als Geschäftsmodell?

      LG
      sw

  11. Dr. Wolfgang Philipp Müller

    Ich bin selber überrascht, wie viele Bibliotheken offenbar Titel unserer Verlagsimprints Alphascript und Betascript mit Steuergeldern erwerben, wo man die Texte doch kostenlos bei Wikipedia herunterladen und auf diese Weise bibliothekarisch archivieren könnte. Besonders peinlich ist die Sache deswegen, weil wir auf jedem Copyleft-Titel, der aus Wikipedia stammt, einen dicken, fetten und nicht mehr zu übersehenden Aufkleber anbringen, der auf die freie Quelle Wikipedia verweist. Den gleichen Hinweis findet man auch in allen Klappentexten dieser Titel. Erklärungen finde ich dafür nur zwei: Entweder gibt es ein Heer inkompetenter Bibliothekare an öffentlichen Bibliotheken oder man will unbedingt seine Budgets ausgeben, damit sie nicht gestrichen werden. Wahrscheinlich liegt die Wahrheit in der Mitte 🙂

    Antworten
    1. admin

      Lieber Dr. Müller,

      zunächst hoffe ich, dass sich hier niemand einen Scherz erlaubt hat, dass ich also tatsächlich mit dem Verlagsleiter kommuniziere. Dann hätte ich zwei Fragen:

      1) Bedeutet Ihr Kommentar, dass Sie Ihre Bücher nicht aktiv (per Mail etc.) in Bibliotheken bewerben bzw. beworben haben?

      2) Wenn Sie es „peinlich“ finden, wenn Bibliotheken diese Bücher kaufen, bitte erlauben Sie mir die Frage, für wen die Bücher eigentlich gut sind. Wer ist die Zielgruppe? Bitte seien Sie mir nicht böse, wenn ich sage, dass ich bislang NUR irregeführte und verärgerte Käufer kenne, die sich entweder mir gegenüber, hier in den Foren oder auf amazon beschwert haben.

      LG
      sw

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