Autorschafts-, Zitats- und Plagiatsforschung: Skizze eines neuen Forschungsfelds

Es ist schon rätselhaft: Alle sagen, das muss nun erforscht werden, aber niemand geht es an. Ich habe deshalb nun selbst mit zwei am Thema interessierten Kollegen einen Forschungskatalog bzw. eine Aufgabenliste erstellt. Wir möchten in naher Zukunft zumindest einige dieser Punkte abarbeiten. Zunächst stehen ein Forschungsprojektantrag (Kooperation in Österreich) und ein Buchprojekt in Deutschland („Handbuch des Zitierens“) auf der Tagesordnung.

Gibt es vielleicht doch eine aufgeschlossene Universität, die die erste sein möchte, die ein solches Institut gründet? Gibt es Partner aus der Wirtschaft – etwa von Produktplagiarismus betroffene internationale Unternehmen oder Buchverlage, denen Copy & Paste im Internet zu schaffen macht -, die ein solches Institut bzw. dessen Grundsteinlegung fördern würden? Diese Blogmeldung soll durchaus den Charakter eines „öffentlichen Aufrufs“ haben: Die Idee ist da, nun bedarf es der Umsetzung!

Die Fälle Guttenberg, Schavan und Co. zeigten ja nicht nur, dass das Plagiatsproblem in der Wissenschaft übersehen und damit in der akademischen Welt viel Schein statt Sein hervorgebracht wurde. Sie zeigten darüber hinaus, dass die Wissenschaft sich viel zu wenig oder gar nicht mit ihren eigenen Grundlagen, mit ihrer eigenen „Referenzkultur“ beschäftigt hat. Es gibt Forschungen zu allen möglichen ‚Objekten‘ in der ‚realen Welt‘, aber nicht zu den grundlegenden Techniken der sprachlichen Weitergabe des Wissens über diese Objekte. Wie kam es historisch zu dieser Lücke, zu dieser speziellen Form der „Methodenvergessenheit“? Fast wäre auch dies reflexiv ein weiteres Thema für die Forschungsagenda.

Es gibt mehr als eine Großbaustelle:

Warum ist die Situation auf dem Lehrbuchmarkt so unbefriedigend? Warum gibt es Lehrbücher und Online-Lehrbehelfe, die unter dem indirekten Zitat das Umschreiben existierender Literatur verstehen und solche, die dies explizit verbieten? Warum ringt man sich nicht zu einheitlichen Standards und Definitionen durch? Viele Studenten würden in der derzeitigen Situation dafür dankbar sein.

Und was hat Google mit den zehn bis 20 Millionen (?) eingescannten Büchern aus den Bibliotheken vor? Warum gibt es nicht schon längst einen „Google Plagiarism Check„, mit dessen Hilfe man ganze Dokumente und nicht nur Wortketten auf Plagiat überprüfen könnte? (Stünde dies der Kreation einer „künstlichen Intelligenz“ im Wege? Wohl eher im Gegenteil, außer Google hat nur seine eigene Intelligenz im Auge und nicht die der Menschen.)

Also:

Was ist der wahre Grund, warum (bislang) keine deutschsprachige Universität hier etwas Neues institutionalisieren will (die erste Uni, die das Plagiatsthema wirklich offensiv und mit Forscherneugier angehen würde, würde medial ohne Zweifel viel Lob ernten)?

Und was ist der wahre Grund, warum Google (bislang) keinen Plagiatsdienst anbietet, der sich sogar – ähnlich wie die Google Buchsuche – als Geschäftsmodell etablieren ließe (die Suche wäre wie immer unbezahlt; bei Funden könnten Links zu Bestellmöglichkeiten der plagiierten Quellen in Print angeboten werden)?

Das sind die Fragen: an die Wissenschaft, an die (Internet-)Wirtschaft.

2 Kommentare zu “Autorschafts-, Zitats- und Plagiatsforschung: Skizze eines neuen Forschungsfelds

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  1. Christopher Windle

    I am a retired schoolheadmaster who recently undertook a course of study at a certain Austrian accredited university and who was shocked at the low level of instruction provided on a Masters course.

    I would like to check whether a given doctorate of one of the lecturers was honestly obtained or whether there was some suspicion of plagiarism involved.

    I am not rich, having only a reduced teacher pension as income and therefore I would like to know approximately if the costs of researching etc could be met by me. I appreciate that costs will vary according to each individual case.

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  2. Hartmut

    Jede ersthafte und brauchbare wissenschaftliche Erkenntnis läßt sich in mehr oder weniger komplizierte Formeln packen, aber ebenso auch jedweder Humbug, und eben darin unterscheidet sich ernsthafte Wissenschaft von Pseudowissenschaftlichkeit (vgl. Astronomie und Astrologie). Die Möglichkeit, etwas in Formeln zu verpacken, kann demzufolge niemals ein Indiz für Braubarkeit sein, denn im Zweifelsfall läßt sich auch mit einigem Geschick und entsprechender Fanties durch komplexer Formeln der Anschein erwecken, daß die Kartoffelpreise für auftretende Erdbeben verantwortlich sind.

    Immer dann, wenn eine Sache juristische Nebenfolgen hat, besteht das Problem, wie man eine Gegebenheit dann beurteilt, wenn sie nachweislich falsch ist (eben der Justizirrtum oder die nicht erwartete außergewöhnliche Ausnahme). In solchen Fällen verkommt auch eine ansonsten stets zuverlässige wisschenschaftliche Methode zur reinen Spekulation mit dem Wert einer Kaffeesatzwahrsagerei.

    Bereits die in früheren Zeiten durchaus brauchbare und fast immer zuverlässige Methode der Analyse aktustischer Sprachmerkmale ist inzwischen juristisch zweifelhaft geworden, denn in der heutigen Zeit ermöglicht frei zugängliche Technik auch dabei Fälschungen aller Art, und obendrein sind moderne Computer in der Lage, beliebige Texte akustisch vorzutragen. Für die Auswertung von Schriftstücken stehen aber fast immer wesentlich weniger Datenmengen zur Verfügung, die darüberhinaus oftmals auch noch aus Textbausteinen zusammengebastelt wurden, die irgendwoher stammen mögen und nicht die Schöpfung des Verfassers eines Schriftstücks sind. Aus solchen Gründen kann eine Textanalyse mit dem Ziel, daraus auf den Urheber zu schließen, von Anfang an nur den Wert von Kaffeesatzwahrsagerei haben. Auch eine mögliche sehr hohe Trefferquote kann daran nichts ändern (auch Horoskope haben bekanntlich immer dann eine sehr hohe Trefferquote, wenn der Horoskopersteller nur geschickt genug mit der Formulierung umgeht).

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